Wie sich Kosten, Zeiten und Emissionen beim Bauen drastisch reduzieren lassen. Ein Gespräch mit Wulf von Borzyskowski, Geschäftsführer Deutschland des Technologieführers All3 Construction.
Herr von Borzyskowski, die Immobilienwirtschaft steht unter Druck: hohe Zinsen, Fachkräftemangel, sinkende Preise. Wie erleben Sie derzeit die Stimmung unter Projektentwicklern? Momentan eher gedämpft. Das Marktumfeld verstärkt Risiken, die ohnehin in jedem Projekt stecken. Für Projektentwickler ist Zeit nicht nur Geld, sondern Risiko. Je länger ein Projekt läuft, desto stärker wirken Finanzierungskosten, Marktschwankungen und unvorhergesehene Verzögerungen. Große Bauvorhaben dauern heute im Schnitt rund 20 Prozent länger als geplant und überschreiten Budgets um bis zu 80 Prozent. Gleichzeitig sind die EU-Immobilienpreise 2023 und 2024 real um etwa 7,5 Prozent gefallen. Ein typischer dreijähriger Bauzyklus bedeutet daher auch drei Jahre potenzieller Preisrückgänge und sich ändernder Finanzierungskonditionen – zumal Banken Ende 2024 die Unternehmenskreditvergabe erneut verschärft haben. In dieser Gemengelage entscheidet Geschwindigkeit über Wirtschaftlichkeit, Margen und Investierbarkeit.
Wie gelingt es All3, genau dieses Risiko zu reduzieren?
Wir verkürzen Zeitpläne in jeder Phase, weil unser Ansatz vollständig integriert ist – von der KI-gestützten Entwurfsplanung über die robotergestützte Vorfertigung bis zur Plug-and-Play-Montage. Unsere KI beschleunigt das Design unter Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben und bewertet Varianten in Sekunden hinsichtlich Kosten, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Robotergesteuerte Fertigung liefert maßgeschneiderte Komponenten mit industrieller Präzision und gleichbleibender Qualität. Damit halbieren wir die Bauzeiten, reduzieren Kosten um bis zu 30 Prozent und verringern die CO₂-Emissionen deutlich. Entscheidend ist der Effekt auf den Zyklus: Ein Entwicklungsprozess, der früher drei Jahre dauerte, lässt sich heute auf etwa ein Jahr verdichten.
Was bedeutet das für Rendite und Finanzierungsrisiken?
Die Auswirkungen sind unmittelbar. Ein kürzerer Zeitplan senkt Bauzinsen, verringert die Wahrscheinlichkeit von Verzögerungen und reduziert das Risiko, in die bekannte Falle aus 20 Prozent Verzögerung und 80 Prozent Kostenüberschreitung zu geraten. Schon eine Verkürzung um zehn Prozent verbessert die Rendite, eine Halbierung verändert sie grundlegend. Gleichzeitig sinkt das Risiko einer teuren Refinanzierung zu schlechteren Konditionen. Schneller zu bauen, heißt heute, nicht bloß schneller fertig zu werden, sondern Wirtschaftlichkeit wiederherzustellen, Margen zu schützen und Projekte wieder investierbar zu machen.
Ihr erstes deutsches Projekt entsteht in Berlin-Lichtenberg. Welche Bedeutung hat dieses Pilotvorhaben?
Dass wir nur vier Monate nach unserem Eintritt in den deutschen Markt unser erstes Projekt gewinnen konnten, ist ein Zeichen dafür, dass Entwickler nach einem neuen Ansatz verlangen. Sie haben erkannt, dass Technologie ihnen die Geschwindigkeit, Qualität und Nachhaltigkeit bieten kann, die sie benötigen, und das zu einem angemessenen Preis. Und für eine Stadt wie Berlin, die einen schnelleren Bau vorantreiben möchte, ist dieser Ansatz sogar noch willkommener.
Warum hat All3 gerade Deutschland als ersten europäischen Markt gewählt?
In Deutschland besteht ein enormer und derzeit ungedeckter Bedarf an Wohnraum – es fehlen bereits 1 Million Wohnungen, und es wird nicht genug gebaut, um diese Lücke zu schließen. Generell dauern Projektentwicklungen zu lange, sei es durch Genehmigungsverfahren oder andere Einflüsse. Genau hier setzen wir an und liefern die operative Grundlage: digitale Planung, industrielle Fertigung und Montage auf der Baustelle ohne Reibungsverluste. Deshalb investieren wir in eine Landesgesellschaft, starke Teams vor Ort und strategische Partnerschaften.
Wo sehen Sie die Bauwirtschaft in fünf Jahren?
Die Zukunft des Bauens ist datenbasiert, industriell und flexibel. Wir werden weniger Einzelprozesse managen und mehr Systeme orchestrieren. Wenn Politik und Technologie zusammenwirken, kann der Markt in kurzer Zeit vom Krisenmodus in eine produktive Normalität wechseln. Unser Ziel ist, diesen Wandel zu beschleunigen – kürzere Zyklen, geringere Risiken, bessere Gebäude. Dafür steht All3.