Der Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Markus Steilemann, verteidigt die Verschärfung des EU-Emissionshandels für die Industrie (ETS-1) und warnt seine Managerkollegen vor allzu radikaler Kritik. "Passionierte Äußerungen tragen nicht notwendigerweise zu einer sachlichen Debatte bei", sagte er der "Süddeutschen Zeitung" am Donnerstag. Erst Anfang der Woche hatte Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender des Essener Spezialchemiekonzerns Evonik, die Abschaffung des CO2-Zertifikatehandels oder zumindest drastische Reformen verlangt. BASF-Chef Markus Kamieth sagte am Mittwoch bei der Präsentation seiner Quartalszahlen Ähnliches. In der EU müssen Industriebetriebe Verschmutzungsrechte kaufen, wenn sie Treibhausgase in die Atmosphäre blasen.
Ein Teil dieser Zertifikate war in der Vergangenheit kostenlos den Unternehmen zugeteilt worden, der Rest musste an der Börse gekauft werden. Die Einnahmen werden größtenteils für Klimaschutzmaßnahmen verwendet. Im Rahmen des EU-Klimapakets "Fit for 55", mit dem die EU von einem Pfad von über vier Grad Erderhitzung auf einen Pfad umsteuerte, durch den der Klimawandel auf etwas über zwei Grad Celsius begrenzt werden könnte, wurde die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten teilweise abgeschafft. Um Wettbewerbsnachteile auszugleichen, wurde das CO2-Grenzausgleichssystem CBAM beschlossen, eine Art Zoll auf CO2-intensive Importe. Manche Chemie- und Stahlmanager fürchten hohe Kosten und laufen Sturm dagegen. Steilemann sagte aber, er halte die "radikale Forderung" nach einer Abschaffung für falsch.
"Der Emissionshandel hat einen Bombenjob gemacht", sagte der Verbandspräsident. Die Emissionen der Chemieindustrie hätten sich dadurch halbiert, bei gestiegener Produktion, sagte er. Trotzdem fände er es sinnvoll, über Änderungen nachzudenken - aber "mit dem Skalpell, nicht dem Totschläger". Steilemann warb dafür, dass jene Firmen, bei denen die Umstellung auf eine klimafreundliche Fertigung besonders schwierig und teuer sei, weiterhin kostenlose Zertifikate bekommen sollen.