Die Voraussetzungen für erfolgreiche Reanimation bei Herz-Kreislauf-Stillstand in Deutschland sind bei weitem nicht so gut, wie sie sein könnten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der ADAC Stiftung. Doch es gibt positive Tendenzen: Ersthelfer-Netzwerke wachsen, Telefonreanimation wird konsequenter eingesetzt und Reanimationstraining hält Einzug in den Schulunterricht.
Etwa 136.000 Menschen jährlich erleiden in Deutschland einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand. Diese lebensbedrohende Situation ist auch für Umstehende eine immense Herausforderung: Sie befinden sich zumeist völlig unerwartet in der Rolle der potenziellen Ersthelfer. Bis der professionelle Rettungsdienst eintrifft, können ihre Wiederbelebungsmaßnahmen helfen, Leben zu retten und Folgeschäden zu verringern.
Die Wahrscheinlichkeit für Laien, als Ersthelfende gefragt zu sein, ist nicht gering. 9 Prozent der Befragten ohne spezifische Qualifikation im Gesundheitsbereich geben an, bereits mindestens einmal in ihrem Leben jemanden reanimiert zu haben, ohne dafür ausgebildet gewesen zu sein. Längst nicht alle Menschen in Deutschland fühlen sich für eine derartige Situation gewappnet. Laut Studie der ADAC Stiftung trauen sich 63 Prozent der Menschen in Deutschland zu, einen Menschen nach Herz-Kreislauf-Stillstand zu reanimieren. Viele wünschen sich, in solchen Situationen besser unterstützt zu werden. Sofern die Rettungsleitstelle den Ersthelfer bei seinen Wiederbelebungsmaßnahmen telefonisch anleitet, trauen sich immerhin 83 Prozent eine Reanimation zu.
73 Prozent der Befragten sprechen sich zudem für regelmäßige Trainings aus. In der Praxis finden diese Übungen jedoch nur selten statt. Lediglich jeder Vierte hat während der vergangenen zwei Jahre Herz-Lungen-Wiederbelebung geübt. Nur 8 Prozent der Menschen in Deutschland haben ein solches Training innerhalb der vergangenen sechs Monate absolviert. „Wer im Ernstfall handelt, gibt nicht nur einem Menschen eine zweite Chance, sondern macht unsere Gemeinschaft stärker. Eine Kultur der Wiederbelebung ist immer auch eine Kultur des Miteinanders. Deswegen wollen wir, dass der Grundstein dafür schon in der Schule gelegt wird", sagt Christina Tillmann, Vorständin der ADAC Stiftung.
Die ADAC Stiftung setzt sich dafür ein, Reanimationstraining zu einer verpflichtenden Unterrichtseinheit an weiterführenden Schulen zu machen. 80 Prozent der Menschen in Deutschland befürworten dies. Bislang haben lediglich zwei Bundesländer (Hessen und Saarland) eine verbindliche Vorgabe für Reanimationsunterricht gemacht. Nordrhein-Westfalen hat kürzlich angekündigt, entsprechende Strukturen in den Schulen aufzubauen und ab Herbst 2026 Wiederbelebung verpflichtend in den Lehrplan der Sekundarstufe I aufzunehmen.
Bessere und schnellere Erste Hilfe versprechen auch die Smartphone-basierten Ersthelfer-Alarmierungssysteme, die laut der neuesten Erhebung der ADAC Stiftung in 203 von 400 Landkreisen und Städten existieren. Das sind 37 mehr als noch ein Jahr zuvor. Dort lassen sich Bürger, die über Reanimations-Kenntnisse verfügen, in sogenannten Ersthelfer-Netzwerken registrieren. Geht bei einer Leitstelle ein Notruf ein, schickt sie nicht nur den Rettungsdienst zum Einsatzort, sondern alarmiert zeitgleich über eine App die Smartphones von Ersthelfern, die sich in unmittelbarer Nähe zum Einsatzort befinden.
Nach Angabe der Betreiber dieser Alarmierungssysteme gelingt es, nach durchschnittlich 4 Minuten einen Ersthelfer am Notfallort zu haben. Die Ersthelfer-Netzwerke hätten demnach das Potenzial, den Zeitraum zwischen Herz-Kreislauf-Stillstand und Beginn der Wiederbelebung fast zu halbieren. Auf Reanimation durch professionelle Rettungskräfte warten Patienten durchschnittlich 7 Minuten, im ländlichen Raum teilweise erheblich länger.
Schnelle Erste Hilfe nach vier Minuten erhöht die Chance auf Rettung bei Herz-Kreislauf-Stillständen deutlich, weil ohne Wiederbelebung ab diesem Zeitpunkt das Risiko irreversibler Schäden im Gehirn rapide steigt. Daher ist es eine gute Nachricht, dass die Zahl registrierter Ersthelfer bundesweit seit 2024 von rund 100.000 auf 148.000 gestiegen ist. Um das Potenzial der Ersthelfer-Netzwerke, deren bundesweite Einführung der Deutsche Rat für Wiederbelebung seit 2021 in seinen Reanimationsleitlinien fordert, auszuschöpfen, braucht es allerdings erheblich höhere Registrierungsquoten. Die ADAC Stiftung geht von einem Bedarf von rund 3,5 Millionen Menschen aus, um überall schnelle Erste Hilfe sicherzustellen.
In Berlin, Brandenburg, Saarland und Schleswig-Holstein sind Ersthelfer-Alarmierungssysteme bereits flächendeckend eingeführt. In Hamburg und Thüringen hingegen gibt es nirgends ein Ersthelfer-System.
Über die Studie:
Mit dem regelmäßig erscheinenden „Monitor Reanimation" beschreibt die ADAC Stiftung, wie gut die Chancen auf erfolgreiche Erste Hilfe bei Herz-Kreislaufstillstand sind. Der Monitor ist die einzige Studie in Deutschland, die umfassend auf die Voraussetzungen von Reanimation vor Eintreffen des Rettungsdienstes blickt. Erste Hilfe bei Herzkreislauf-Stillständen ist von entscheidender Bedeutung, weil es bereits nach drei bis fünf Minuten ohne Sauerstoffversorgung zu bleibenden Schäden im menschlichen Gehirn kommen kann. Der „Monitor Reanimation" analysiert die systemischen Voraussetzungen für höhere Rettungsquoten und gibt Handlungsempfehlungen, wie in Deutschland die Kultur der Wiederbelebung gestärkt werden kann.
Über die ADAC Stiftung:
Die ADAC Stiftung konzentriert sich in ihrer Arbeit auf zwei Themen: Mobilität und Lebensrettung. Sie setzt sich dafür ein, dass alle Menschen in Deutschland ihrem Bedürfnis nach Mobilität sicher und nachhaltig nachkommen können. Und dass Menschen mit akuten Verletzungen oder in lebensbedrohlichen Situationen im ganzen Land schnelle und wirksame Hilfe erhalten. Zudem fördert sie mit der Einzelfallhilfe gezielt die soziale Teilhabe von Unfallopfern und ihren Familien.
Die Stiftung ist 2016 gegründet worden. Seit Anfang 2017 ist sie alleinige Gesellschafterin der gemeinnützigen ADAC Luftrettung und fördert interdisziplinäre Projekte im Rettungswesen.