Jan Scheller: „Digitale Systemplattform senkt Energieverbrauch um 60 Prozent“ Wie verändert die Energiewende das Gesicht der Stadt? Diese Frage stellte das Stadtforum Energie auf dem EUREF-Campus – und machte deutlich: Die Zukunft der Energieversorgung entscheidet nicht nur über Versorgungssicherheit, sondern darüber, wie wir wohnen, arbeiten, uns fortbewegen und was Stadt-Lebensqualität künftig bedeutet. Energie wird damit zum zentralen Treiber der Stadtentwicklung.
Berlin stehe vor einem Infrastrukturwandel historischen Ausmaßes, betonte Berlins Bau- und Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler. Für die Energiewende brauche es nicht nur Technik, sondern vor allem Raum und langfristig gesicherte Flächen. Dabei gehe es um „verborgene Champions“ der Energieversorgung – etwa Dachflächen, Schienenkorridore, Hafen- und Wasserflächen oder Böden unter Sportanlagen. Die Transformation sei damit räumlich sichtbar und mache Energieplanung zu Stadtplanung. Die Energiewende werde damit sichtbar in den Sozialraum hineinwirken: Stadtplanung wird zu Energieplanung. Dies erfordere ein radikal interdisziplinäres Vorgehen. Wärmeplanung, Netzausbau, Infrastruktur und Finanzierung seien untrennbar miteinander verknüpft.
Energieerzeugung mitten im Sozialraum
Diesen Gedanken führte Dr. Martin Schulwitz (TU Dortmund) fort: Urbane Energiewende sei nicht allein eine Technikfrage. Entscheidend sei, wie Energie im Stadtraum entsteht. Künftige Quartiere müssten gleichzeitig produzieren, speichern und verteilen – mitten zwischen Wohnen, Verkehr, Gewerbe und Grünflächen.
Soziale Dimension: „Wärme darf nicht zweite Miete werden“
Wie komplex die Umsetzung ist, zeigte die Praxisdebatte. Christian Feuerherd, Vorsitzender der Geschäftsführung der Berliner Energie und Wärme GmbH, sprach von einer „Jahrhundertaufgabe“. Der Kohleausstieg erfordere einen tiefgreifenden Umbau der Erzeugung, der sozial verträglich gestaltet werden muss. Wärme dürfe „nicht zur zweiten Miete werden“. Zudem müssten Banken künftig erneuerbare Wärme als Infrastruktur bewerten – gerade in dichter bebauten Bezirken.
Strombedarf wächst – aber nicht um jeden Preis
Einen Blick auf den Stromsektor warf Dr. Erik Landeck, Vorsitzender der Stromnetz Berlin GmbH. Der Strombedarf werde sich in den kommenden zehn Jahren mindestens verdoppeln, angetrieben durch Wärmepumpen, Elektromobilität und Digitalisierung. Rechenzentren würden künftig strategische Wärme- und Kälteproduzenten sein. Parallel sei ein massiver Ausbau der Ladeinfrastruktur notwendig, was wiederum Raum und planerische Koordination erfordere.
Dr. Ursula Flecken, Planergemeinschaft Stadt und Raum eG, warnte davor, Energieplanung erst im Nachhinein an Städtebau anzudocken. Quartiere ohne integrierte Wärmeplanung seien später teuer zu dekarbonisieren. Energie müsse vor dem Bauen mitgeplant werden – im sozialen Kontext, nicht als reine Technik.
Digital betrieben statt überdimensioniert: 60 Prozent Einsparung schon heute erreichbar
In verschiedenen Dialogstationen wurde – zum Teil kontrovers – diskutiert. Besonders deutlich wurde Jan Scheller von FIV.Energy. Er machte klar, dass der Schlüssel zur urbanen Energiewende nicht allein im Zubau von Erzeugungs- und Netzkapazitäten liegt, sondern im intelligenten Betrieb der bestehenden Infrastruktur. FIV.Energy setzt dafür auf eine digitale, vernetzte Systemplattform, die Heizungs-, Lüftungs- und Gebäudetechnik über Liegenschaften hinweg optimiert und zugleich Ladeinfrastrukturen sowie deren Energiemanagement integriert steuern kann. So lassen sich Lasten aus E-Mobilität gezielt verschieben und mit anderen Verbrauchern im Gebäude oder Quartier koordinieren – im Sinne der Vorgaben aus § 14a EnWG zu steuerbaren Verbrauchseinrichtungen. Im Portfolio der Sparkasse Kassel konnten so rund 60 Prozent Energieeinsparung erzielt werden – ohne Fassadendämmung, allein durch Transparenz, Regelung und Betriebsführung. Das Projekt, das auf der Expo Real in München vorgestellt wurde, hat bundesweit Aufmerksamkeit erregt.
Scheller stellte diese Erfahrungen der These von Stromnetz-Berlin-Chef Dr. Erik Landeck gegenüber, der von einer Verdopplung des Strombedarfs in den nächsten zehn Jahren ausgeht. Aus Sicht von FIV.Energy blendet eine solche Prognose zentrale Entwicklungen aus: Gesetzlich geforderte Effizienz, die Absenkung von Netz- und Systemtemperaturen in der Fernwärme, verbindliche Anforderungen an Rücklauftemperaturen sowie die wachsende Rolle von Digitalisierung und Lastmanagement in Gebäuden. Wenn Gebäude und Quartiere mit digitalen Plattformen betrieben werden, sinken nicht nur der Verbrauch, sondern vor allem die Lastspitzen, die das Stromnetz dimensionieren. Dass das funktioniert, hat FIV.Energy bewiesen.
„Wer den zukünftigen Strombedarf einfach verdoppelt, tut so, als bliebe der heutige verschwenderische Betrieb von Gebäuden unverändert“, so Jan Scheller. „Unsere Plattform zeigt das Gegenteil: Je besser wir Gebäude vernetzen, steuern und ausregeln, desto weniger muss das Netz auf Verdacht überdimensioniert werden. Die eigentliche Reserve steckt in der Effizienz, nicht im Kupfer.“ Vor diesem Hintergrund wirken pauschale Verdopplungsszenarien aus Netzsicht wie grobe Worst-Case-Rechnungen, die die Potenziale intelligenter Gebäudesteuerung massiv unterschätzen.
Das Stadtforum machte damit auch deutlich: Die künftige Energie-Infrastruktur der Hauptstadt entscheidet sich nicht nur im Leitungsgraben, sondern in der Art und Weise, wie Gebäude und Quartiere digital geführt werden. Das ist auch der Grund warum innovative Unternehmen wie FIV.Energy als Impulsgeber zukünftig eine zentrale Rolle einnehmen werden.
Zum Abschluss betonte Senator Gaebler die Bedeutung eines dauerhaften Dialogs. Transformation sei eine Gemeinschaftsaufgabe. Gaebler: „Diese Transformation gelingt nur gemeinschaftlich – Planung braucht Austausch. Klimaneutralität gelinge nur, wenn Politik, Verwaltungen, Wirtschaft, Infrastrukturakteure, Finanzsektor und Stadtgesellschaft gemeinsam handeln.