Nach Einstufung: Bundesländer diskutieren über AfD-Verbotsverfahren

Nach Einstufung: Bundesländer diskutieren über AfD-Verbotsverfahren

In den Bundesländern hat nach der Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" durch den Verfassungsschutz die Diskussion über ein mögliches Parteiverbot an Fahrt aufgenommen. Neben Bundestag und Bundesregierung haben auch die Länder - über den Bundesrat - die Möglichkeit, einen Verbotsantrag stellen. Über die Frage der Verfassungswidrigkeit von Parteien entscheidet nach einem Antrag letztlich das Bundesverfassungsgericht. Der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, fordert ein solches Verbotsverfahren gegen die AfD, sieht aber den Bund in der Pflicht.

"Der Bund muss jetzt zügig ein Verbotsverfahren einleiten, um unsere Demokratie zu schützen", sagte der CDU-Politiker am Freitag dem "Spiegel". Die AfD lasse "schon lange keinen Zweifel an ihrer verfassungsfeindlichen Gesinnung". Die Einstufung des Verfassungsschutzes sei daher "keine Überraschung, aber sie bringt Klarheit", so Günther. Die Partei sei "eine Bedrohung für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, und sie gefährdet unseren gesellschaftlichen Frieden." Berlins Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) begrüßt die Einstufung der gesamten AfD als gesichert rechtsextrem. "Ein Parteiverbotsverfahren ist nicht zwangsläufig die Folge dieser Einstufung", sagte sie dem "Stern". Die Entscheidung über die Einleitung liege "bei den antragsberechtigten Verfassungsorganen und ist eine politische Entscheidung", sagte die Ex-Verfassungsschützern. "Die Einstufung des Verfassungsschutzes wird dabei eine wesentliche Rolle spielen."

Badenberg selbst hatte einst im Bundesamt für Verfassungsschutz die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall vorangetrieben und war zuletzt dessen Vize-Präsidentin. "Der Verdacht hat sich bestätigt: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft", sagte die heutige Justizsenatorin. "Diese Einschätzung bringt Klarheit für alle Beteiligten und ist eine Konsequenz der zunehmenden Radikalisierung der Partei in den vergangenen Jahren." Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) schloss sich Günthers Forderung nach einem Verbotsverfahren an. "Ich habe die Einstufung der AfD so erwartet", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagausgaben). "Und ich finde sie auch richtig.

Die Beweislage ist erdrückend. Jetzt ist die Zeit reif für ein Verbotsverfahren." Auch Maier will eine Initiative durch den Bund. "Ich würde die Bundesregierung sehr bitten, sich dieser Frage intensiv zu widmen und zu entscheiden, ob sie ein Verbotsverfahren anstrebt. Wir stehen in Thüringen Gewehr bei Fuß und sind in der Lage, umfassendes Material zur Verfügung zu stellen." Für ein erfolgreiches Verbotsverfahren müssten drei Voraussetzungen erfüllt sein, so der SPD-Politiker. Eine Partei müsse die Menschenwürde verletzen, mächtig genug sein, um ihre Ziele durchzusetzen, und aggressiv-kämpferisch gegen den demokratischen Rechtsstaat vorgehen. Alle drei Voraussetzungen seien in diesem Fall erfüllt.

Der Oppositionsführer und SPD-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Jochen Ott, sieht eine gestiegene Wahrscheinlichkeit für ein Verbotsverfahren. Seit bald acht Jahren vergehe im Düsseldorfer Landtag keine Plenarwoche, in der aus der Ecke der AfD-Fraktion keine menschenverachtenden, rassistischen oder demokratiefeindlichen Angriffe kommen. "Da hat sich nichts normalisiert, er wird immer schlimmer", sagte er der "Rheinischen Post" (Samstagausgabe). "Insofern wird meiner Meinung nach auch ein Verbotsverfahren jeden Tag etwas wahrscheinlicher." Die SPD-Landtagsfraktion in Bayern sprach sich für ein Verfahren aus. Die AfD lehne das Grundgesetz ab und stelle eine Gefahr für die Demokratie dar. "Ich erwarte, dass wir nun schnellstmöglich ein Verbotsverfahren gegen die AfD prüfen", so Fraktionschef Holger Grießhammer Die Freien Wähler Rheinland-Pfalz sehen in der Entscheidung des Verfassungsschutzes, die AfD als gesichert rechtsextremistisch einzustufen, einen klaren Beleg für die Radikalisierung der Partei.

Zugleich warnen sie vor Symbolpolitik und pauschaler Verbotsrhetorik, wie der Landesvorsitzende Christian Zöpfchen mitteilte. Zöpfchen sagte, dass die Freien Wähler eine pauschale Verbotsmentalität entschieden ablehnen. Viele Bürger empfänden die Einstufung der AfD als Bevormundung und Misstrauen gegenüber dem Wählerwillen. Ein Parteiverbot habe zudem extrem hohe verfassungsrechtliche Hürden. Ein Verbotsdiskurs spiele der AfD eher in die Karten, da sie sich so als Opfer staatlicher Willkür inszenieren könne. Die Vorsitzende der BSW-Landtagsfraktion in Sachsen, Sabine Zimmermann, erklärte, dass Verbotsdiskussionen ihrer Ansicht nach kontraproduktiv wirkten.

Die Stärke der AfD führe sie auf schlechte Politik der vergangenen 15 Jahre zurück. Probleme in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und Migration hätten sich verschärft und müssten gelöst werden. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst, sprach nicht über die Einleitung eines Verbotsverfahrens, bezeichnet die AfD jedoch als Hauptgegner aller demokratischen Parteien. Die Einstufung sei "eine sehr deutliche fachliche Bewertung, mit der alle demokratischen Kräfte umgehen müssen", sagte der CDU-Politiker dem "Spiegel". "Der AfD die Existenzgrundlage zu entziehen, ist zentrale Aufgabe aller Demokraten. Das gelingt am besten dadurch, indem die Probleme der Menschen gelöst werden - sachlich, fundiert und wirkungsvoll." Er sei überzeugt, dass die neue Bundesregierung diese Aufgabe beherzt annehmen werde. Nordrhein-Westfalens stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) verwies auf die in der Verfassung festgeschriebenen Mittel gegen Verfassungsfeinde - ohne allerdings explizit die in Artikel 21 festgeschriebene Möglichkeit eines Parteienverbots zu nennen. "Das Manifest unserer Freiheit, unser Grundgesetz, wurde von seinen Müttern und Vätern mit robusten Schutzmechanismen ausgestattet", sagte sie der "Rheinischen Post" (Samstagausgabe). "Wir sind in der Lage, uns zu wehren - und sollten das jetzt auch unter Beweis stellen."

Es sei an der Zeit, dass die Demokratie denen ihre Zähne zeige, die sie abschaffen wollten. Selbstkritisch fügte die Grünen-Politikerin hinzu: "Vollkommen klar ist doch: Es gibt eine große Unzufriedenheit in der Bevölkerung, viele Probleme sind in den vergangenen Jahrzehnten nicht angegangen oder gelöst worden. Das muss sich ändern." Die Bürger müssten wieder einen Staat erleben, der einfach funktioniere. "Unabhängig davon ist aber jeder, der die AfD jetzt weiter politisch normalisiert, mindestens naiv - oder stört sich schlimmstenfalls nicht an ihren radikalen, menschenverachtenden und antidemokratischen Phantasien." Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hat die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" als "notwendig und richtig" bezeichnet.

"Diese Einstufung kommt nicht überraschend", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagausgaben). "Sie ist die logische Konsequenz aus vielen Gerichtsentscheidungen, die vorliegen - unter anderem das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen." Die habe nach langer Prüfung der vorliegenden Hinweise die Einschätzungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz bestätigt. "Die offizielle Einstufung einer solchen Partei ist ein notwendiger und richtiger Schritt zum Schutz unseres Zusammenlebens. Wer systematisch gegen Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit hetzt, darf nicht länger hinter bürgerlicher Fassade agieren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz erfüllt seine Aufgabe, indem es die Bedrohung durch diese Partei sichtbar macht." Der Präsident des thüringischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, hat die Einstufung der AfD als "gesichert rechtsextremistisch" begrüßt. "Die Einstufung als erwiesen extremistische Bestrebung der AfD im Bund durch das Bundesamt für Verfassungsschutz ist folgerichtig und konsequent, wenn man die bisherige Entwicklung der Partei, vor allem nochmal in den letzten Monaten, anhand der tatsächlichen Anhaltspunkte bewertet", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Samstagausgaben).

"Der Verfassungsschutz ist deshalb weder Meinungspolizei noch ein angebliches Instrument des Regierungsschutzes, der unliebsame politische Konkurrenz ausschalten soll, sondern folgt seinem gesetzlichen Auftrag und hat dies auch gerichtlich nachprüfbar dargelegt." Es zeige sich, "dass unsere Demokratie wehrhaft ist und die Behörden gewissenhaft ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen, auch wenn es manchmal etwas länger dauert", so Kramer. "Qualität geht eben vor Schnelligkeit, gerade bei einem so wichtigen Thema wie der Bewertung von nach Artikel 21 Grundgesetz besonders geschützten Parteien." Parteien, die "nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden", sind nach Artikel 21 des Grundgesetzes verfassungswidrig.



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