Ein neues Phänomen? Nein! Die stille oder auch innere Kündigung hat mit "Quiet Quitting" nur einen neuen Namen und damit mehr Aufmerksamkeit bekommen – forciert sicher durch eine jüngere Generation, die andere Ansprüche an den künftigen Arbeitplatz stellt. ARAG Experte Tobias Klingelhöfer informiert über die rechtlichen Aspekte dieser Arbeitshaltung.
Was genau versteht man unter „Quiet Quitting“?
Tobias Klingelhöfer: In Deutschland haben wir diese Form der Haltung am Arbeitsplatz immer mit „innerer Kündigung“ oder auch mit „Dienst nach Vorschrift“ benannt. Der Hintergrund dieses Verhaltens kann unterschiedlich sein. Es kann dann entstehen, wenn der Arbeitnehmer sich nicht mehr wertgeschätzt, gefordert oder gefragt fühlt. Die daraus resultierende Demotivation und Antriebslosigkeit geschieht eher unterbewusst. Der Mitarbeiter resigniert, sieht keinen Grund mehr sich einzubringen und verliert das Gefühl, ein Teil der Firma zu sein – innerlich hat er also gekündigt. Der klare Entschluss, nur noch Dienst nach Vorschrift zu machen, erfolgt hingegen bewusst. Oft ist er das Ergebnis von Verärgerung über kontinuierlich als schlecht empfundene Behandlung oder Unternehmensentscheidungen. Das persönliche Engagement wird eingestellt und nur noch erledigt, was laut Arbeitsvertrag zu tun ist. Andererseits kann dieses Verhalten auch eine grundsätzliche Einstellung sein, „Nein“ zu sagen. Nein beispielsweise zu Sonderaufgaben oder Überstunden. Nein zum Arbeiten am Wochenende. Das schließt Leistung grundsätzlich nicht aus – aber eben nur im vereinbarten Rahmen. Danach bedeutet Quiet Quitting, dass man die sprichwörtliche „Extra-Meile“ nicht mehr geht.
Der Arbeitnehmer ist also auf der sicheren Seite, solange sein Tun seinem Vertrag entspricht?
Tobias Klingelhöfer: Ein ordentlicher Arbeitsvertrag beinhaltet eine Arbeitsplatzbeschreibung und solange den dort definierten Aufgaben nachgekommen wird, besteht nach dem deutschen Arbeitsrecht und seinem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) kein Kündigungsgrund. Das Gesetz sieht vier mögliche Gründe für eine Kündigung vor: die verhaltensbedingte, die personenbedingte, die betriebsbedingte oder die außerordentliche und fristlose Kündigung. Im Falle des Quiet Quitting geht es um das Verhalten des Arbeitnehmers, das zum Beispiel dann zu einer Auflösung des Arbeitsvertrages führen kann, wenn dieser gegen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis verstößt, also die definierte Leistung nicht erbringt. Der Arbeitgeber müsste ihm allerdings eine Minderleistung nachweisen können, damit die Kündigung wirksam ist und vor dem Arbeitsgericht standhalten kann.
Sollte der Arbeitnehmer trotzdem vorsichtig sein?
Tobias Klingelhöfer: Ihm muss klar sein, dass er trotz allen Verdrusses natürlich keine schlechte Leistung bringen darf. Zur Minderleistung kann nämlich auch fehlerhafte oder besonders langsame Arbeit gehören. Arbeitgeber argumentieren hier mit dem Begriff „Low Performer“ (deutsch: Niedrigleister) und beweisen die Minderleistung über den Vergleich mit anderen Mitarbeitern. So bestätigte beispielsweise das Landesarbeitsgericht Köln die Kündigung eines Kommissionierers, dessen Kollegen bis zu doppelt so viel Arbeitsleistung im selben Zeitraum erbracht hatten (Az.: 4 Sa 548/21). Insgesamt liegt es in der Natur der Sache, dass ein Arbeitnehmer, der einmal negativ in den Fokus der Vorgesetzten gerückt ist, sich nichts zuschulden kommen lassen sollte. So gut unser Kündigungsschutzgesetz sich vor die Beschäftigten stellt, so gibt es dennoch Kündigungsgründe, die Bestand haben und gegen die schnell mal verstoßen wird. Wir reden zum Beispiel über die sogenannte Nichtleistung, unter die auch schon Verspätungen fallen. Oder Verstöße gegen die betriebliche Ordnung, die banal erscheinen mögen, aber schnell passieren. Internetnutzung am Arbeitsplatz kann, wenn sie ausdrücklich verboten ist, übrigens sogar zu einer außerordentlichen und fristlosen Kündigung führen – das ist vielen nicht bewusst. Und ganz wichtig: Das Kündigungsschutzgesetz greift nur in Unternehmen mit mindestens zehn Angestellten und ab Beginn des siebten Monats des ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses. Sind diese Eckdaten nicht gegeben, sollte man sehr vorsichtig mit seiner Haltung sein, wenn man den Arbeitsplatz trotz aller Kritik behalten möchte.
Kann man sich eigentlich weigern, Überstunden zu machen oder muss man fürchten direkt als Minderleister zu gelten?
Tobias Klingelhöfer: Prinzipiell ist man erst einmal nicht verpflichtet, Überstunden zu machen. Der Arbeitsvertrag regelt die wöchentliche Arbeitszeit und an diese sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen gebunden. Eine Verweigerung kann dann keinesfalls eine Kündigung nach sich ziehen. Allerdings gibt es in vielen Unternehmen Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen, die eine bestimmte Anzahl Überstunden in bestimmten Fällen regeln. Daran hat sich grundsätzlich erst einmal jeder Arbeitnehmer zu halten. Sind direkt im eigenen Arbeitsvertrag oder in persönlicher Absprache – und die kann auch mündlich erfolgt sein – mit dem Vorgesetzten Überstunden vorgesehen, gilt auch diese Vereinbarung. Werden Überstunden korrekt angeordnet, gehört deren Ableistung zur Erfüllung des Arbeitsvertrages und eine Verweigerung kann zur Abmahnung oder im schlimmsten Fall zu einer wirksamen Kündigung führen.
Nur in Notsituationen ist es Unternehmen erlaubt, Überstunden ohne ausdrückliche Regelung anzuordnen. Dabei geht es beispielsweise um Brände oder Naturkatastrophen, die den Ablauf des Unternehmens in Gefahr bringen könnten. Aber z. B. Großaufträge oder knappe Besetzung durch Urlaubszeit sind definitiv keine Notsituationen, die Überstunden rechtfertigen.
Was ist, wenn ein Arbeitnehmer kündigt, es sich aber anschließend anders überlegt und doch bleiben will?
Tobias Klingelhöfer: Eine Kündigung von der Kündigung ist schwierig. Denn während eine Kündigung eine einseitige Willenserklärung ist, braucht es für eine Rücknahme zwingend die Zustimmung des Chefs. Auch das Widerrufen einer Kündigung funktioniert nicht. Denn durch eine Kündigung wird der Arbeitsvertrag nichtig und müsste für eine Fortsetzung neu geschlossen werden. Die einzige Möglichkeit wäre, wenn der Widerruf zeitgleich mit der Kündigung beim Arbeitgeber landet. Dann wäre die Kündigung unwirksam. Dafür reicht sogar ein Anruf oder eine Mail. Allerdings rate ich, sich den Widerruf und dessen Zeitpunkt schriftlich bestätigen zu lassen.
Theoretisch ist es auch möglich, die eigene Kündigung anzufechten, z. B., weil man sich geirrt hat, verwirrt war oder eine Situation falsch eingeschätzt hat. Aber ich sage hier absichtlich „theoretisch“, denn praktisch wird es schwer sein, das zu beweisen.
Die beste Lösung ist natürlich, wenn beide Seiten darin übereinstimmen, dass die Kündigung keine gute Idee war und das Kündigungsschreiben im Mülleimer landet. Hier können beide Seiten die Gelegenheit nutzen, neue Bedingungen für eine Fortsetzung des Vertrages auszuhandeln und einen Forstsetzungsvertrag schließen.
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Eine Pressemitteilung der Firma:
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