Manche Worte fühlen sich an wie ein leiser Raum. Nicht laut. Nicht erklärend. Sondern offen. Man tritt ein und spürt: Hier darf ich sein. Als Autorin und Lyrikerin begegne ich seit vielen Jahren Menschen, die nicht nach schnellen Lösungen suchen, sondern nach Sprache. Nach Worten für Gefühle, die lange keinen Platz hatten. Für das Unausgesprochene, das sich im Inneren sammelt. Für das Zarte, das im Alltag oft übersehen oder übergangen wird, sagte Ela Schellinger die Autorin von ELA Herz & Wort.
Genau hier beginnt meine Arbeit. Sie folgt einem inneren Leitsatz, der weit über Lesungen hinausgeht: Wenn Worte Raum bekommen, entfalten sie ihre Kraft. Nicht, weil Sprache erklären oder reparieren will, sondern weil sie sie begleiten darf. Weil sie da sein kann, ohne etwas zu verlangen. Ich erlebe immer wieder, wie Texte genau dort berühren, wo etwas lange namenlos war. Dann geschieht etwas sehr Sanftes. Der Atem wird ruhiger. Der Körper entspannt sich. Und manchmal fließen Tränen. Nicht aus Schmerz, sondern aus Erleichterung. Nicht, weil etwas gelöst wurde, sondern weil etwas endlich gesehen wird und einen Platz bekommt.
Heute bestätigt auch die Wissenschaft, was viele Menschen intuitiv längst wissen: Sprache wirkt. Worte erreichen nicht nur den Verstand, sie greifen tief ins Nervensystem. Sie können Stress reduzieren, innere Klarheit fördern und emotionale Sicherheit vermitteln, besonders dann, wenn sie nicht bewerten, sondern Raum lassen und nicht einordnen müssen.
Poesie besitzt in diesem Zusammenhang eine besondere Kraft. Sie arbeitet bildhaft und nicht linear. Sie muss nichts beweisen und nichts auflösen. Poetische Sprache erlaubt Widersprüche, lässt Gefühle nebeneinander bestehen und schenkt dem Inneren Struktur, ohne es einzuengen. Genau deshalb empfinden viele Menschen Gedichte oder poetische Texte als tröstlich. Sie reduzieren Komplexität, ohne Tiefe zu verlieren, und laden dazu ein, sich selbst wieder zuzuhören.
In meiner Arbeit, ob in Texten oder bei Lesungen, erlebe ich, wie Menschen sich in Worten wiederfinden. Nicht, weil ihnen etwas Neues beigebracht wird, sondern weil etwas Altes endlich Ausdruck bekommt. Dieser Moment der Wiedererkennung ist oft heilsamer als jede Analyse. Wenn Worte aussprechen, was wir selbst noch nicht formulieren konnten, entsteht Verbindung. Zu uns selbst, zu unserer Geschichte und manchmal auch zu einem lange verschlossenen Gefühl.
Sprache wird so zu einem inneren Ordnungsraum. Sie hilft uns, das Unsortierte zu halten, ohne es wegzuschieben oder vorschnell zu erklären. Viele Gefühle brauchen keine Lösung, sondern einen Ausdruck. Erst wenn wir Worte finden, können wir uns selbst wirklich begegnen. Vielleicht ist das der Grund, warum Sprache heute wieder an Bedeutung gewinnt. In einer Welt voller Tempo, Reizüberflutung und ständiger Selbstoptimierung wächst die Sehnsucht nach Worten, die nicht antreiben, sondern halten. Nach Texten, die nicht erklären wollen, sondern berühren. Nach Sprache, die Nähe schafft und still begleitet.
Worte können heilen. Nicht, weil sie perfekt sind. Sondern weil sie ehrlich sind. Und manchmal reicht genau das, um wieder bei sich anzukommen.