Mobbing am Arbeitsplatz erkennen und stoppen

ARAG Experte Tobias Klingelhöfer informiert, wie sich Betroffene wehren können

Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass jeder dritte Arbeitnehmer schon einmal am Arbeitslatz diskriminiert wurde. Dabei sind Frauen stärker von Diskriminierung betroffen als Männer. Der Haken beim Mobbing im Büro: Viele Vorfälle werden nicht gemeldet. Doch genau das sollte man tun. Wie sich Betroffene wehren können und welche rechtlichen Konsequenzen Mobbing am Arbeitsplatz hat, erläutert ARAG Experte Tobias Klingelhöfer.

Was versteht man überhaupt unter Mobbing am Arbeitsplatz?
Tobias Klingelhöfer:
Mobbing wird systematisch und gezielt über einen längeren Zeitraum betrieben und zielt meistens darauf ab, Menschen auszugrenzen. Am Arbeitsplatz kann dies etwa dann der Fall sein, wenn Kollegen oder Vorgesetzte einen Mitarbeitenden regelmäßig schikanieren. Im arbeitsrechtlichen Sinne wurde der Begriff beispielsweise vom Landesarbeitsgericht Thüringen in 2001 definiert (Az.: 5 Sa 403/00).

Welches sind die rechtlichen Grundlagen bei Mobbing im Job?
Tobias Klingelhöfer:
Da greifen gleich diverse Regelungen: Einmal gilt natürlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus dem Grundgesetz gemäß Artikel 1 und 2. Zudem greift bei Mobbing das Arbeitsrecht, woraus sich diverse Schutzansprüche ableiten. Zudem gilt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Darunter fallen alle Übergriffe von Kollegen oder Vorgesetzten, die sich gegen Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, vorhandene Behinderung, Alter oder sexuelle Identität des Betroffenen richten. Der Chef muss dafür sorgen, dass so etwas in seinem Betrieb nicht geschieht.

Was sollten Arbeitnehmer bei Mobbing am Arbeitsplatz tun?
Tobias Klingelhöfer:
Ich empfehle zunächst, ein Mobbing-Tagebuch zu führen: Da Mobbing und diskriminierendes Verhalten oft im Verborgenen stattfinden, ist es wichtig, Ort, Zeit, Vorfallhergang und beteiligte Personen schriftlich festzuhalten. Diese Notizen helfen nicht nur dabei, die systematische Art der Angriffe aufzudecken, sondern können in einer späteren juristischen Auseinandersetzung wichtig werden.

Wer von Kollegen oder Vorgesetzten am Arbeitsplatz diskriminiert und schikaniert wird, sollte nach Möglichkeit bis zu einem gewissen Grad dagegenhalten. Insbesondere in Anwesenheit von Unbeteiligten sollte dabei auf das inkorrekte Verhalten hingewiesen werden. Dabei ist es wichtig, sachlich zu bleiben und klar zu formulieren, was einem missfällt und wie man sich fühlt.

Auch das Einbeziehen Dritter ist ein Weg. Egal, ob es ein Vorgesetzter oder der Betriebsrat ist: Verspricht der Austausch mit den mobbenden Kollegen keine Besserung oder ist bereits mehrfach gescheitert, sollten Betroffene in jedem Fall andere Parteien miteinbeziehen, um eine Lösung des Problems herbeizuführen. Eine professionelle Mediation hilft dabei, fair zum Kern des Konflikts vorzudringen und den Konflikt kreativ zu lösen.

Wer hilft Arbeitnehmern, wenn der Chef mobbt?
Tobias Klingelhöfer:
Anders als beim Mobbing unter Kollegen hat der gemobbte Mitarbeiter noch weniger Macht, sich zu wehren, da er dem Täter in der Unternehmenshierarchie untergeordnet ist. Dies verschärft das Problem in der Regel enorm. In der Fachliteratur spricht man hierbei von „downward bullying“, also der Schikane von oben nach unten.

In diesem Fall rate ich Opfern, schnellstmöglich die Unterstützung von Dritten einzuholen und andere Parteien miteinzubeziehen. Wenn vorhanden, sollte ein direktes Gespräch mit dem Personal- oder Betriebsrat geführt werden. Auch Gewerkschaften oder Mobbingberatungsstelle in der Nähe sind eine mögliche Anlaufstelle.

Kann sich der Arbeitnehmer bei Mobbing krankschreiben lassen?
Tobias Klingelhöfer:
Nun, die Antwort muss aus arbeitsrechtlicher Sicht zunächst „Nein“ lauten. Dies ist allerdings eher eine Formalie, denn eine Krankschreibung kann grundsätzlich nur wegen einer Erkrankung ausgestellt werden. Und Mobbing ist zunächst einmal keine gesundheitliche Beschwerde, sondern eine Handlung. Folgt man dieser Definition, ist klar: Einer Krankmeldung wegen durch Mobbing verursachten Erkrankungen steht – bei entsprechenden seelischen oder körperlichen Krankheitssymptomen – in der Regel nichts im Wege.

Gleichzeitig sollten sich Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz stets darüber bewusst sein, dass eine Krankschreibung ihr grundlegendes Problem nicht löst. Vielmehr kann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung immer nur für etwas Abstand zu den Kollegen und so für eine Deeskalation der Situation sorgen. Gespräche über das Mobbing mit dem Personalrat oder dem Human Ressource Management müssen über kurz oder lang trotzdem geführt werden, wenn das Problem an der Wurzel behandelt werden soll.

Wenn der letzte Ausweg Kündigung lautet: Was müssen Betroffene dabei beachten?
Tobias Klingelhöfer:
Eine ordentliche Kündigung muss in der Regel mit einer Kündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende oder zum 15. eines Monats eingereicht werden. Wer sein Arbeitsverhältnis sofort beenden und fristlos kündigen will, muss Gründe anführen, dass ein Verbleib am Arbeitsplatz bis Fristende nicht zumutbar ist. Das ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt.

Aber Mobbing sollte im Regelfall nicht in einer Kündigung münden, sondern in der Freistellung der Verursachenden, sofern sie identifiziert werden können. Immerhin stören diese durch ihr Verhalten nicht nur den Betriebsfrieden, sondern fügen dem Kollegen und indirekt dem Arbeitgeber Schaden zu. Der Arbeitgeber ist deshalb in vielen Fällen nicht nur berechtigt, sondern aufgrund seiner Schutz- und Fürsorgepflicht sogar dazu verpflichtet, sich schützend vor gemobbte Mitarbeiter zu stellen und das Mobbing am Arbeitsplatz zu unterbinden. Dies kann auch durch arbeitsrechtliche Sanktionen wie Abmahnungen, Versetzungen bis hin zur Kündigung des mobbenden Arbeitnehmers erfolgen.

Ist Mobbing am Arbeitsplatz eigentlich strafbar?
Tobias Klingelhöfer:
Mobbing am Arbeitsplatz als solches ist nicht strafbar. Jedoch können gewisse Handlungen des Mobbenden die Schwelle zur Strafbarkeit überschreiten. So kann im Einzelfall der Straftatbestand der Beleidigung oder der üblen Nachrede erfüllt sein. Auch das Cybermobbing kann vor diesem Hintergrund strafbar sein, beispielsweise dann, wenn versandte oder veröffentlichte Ton- bzw. Bildaufnahmen des Mobbingopfers die „Vertraulichkeit des Wortes“ (Paragraf 201 StGB) oder des „höchstpersönlichen Lebensbereiches und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen“ (Paragraf 201a StGB) verletzen. Zudem kann es im Rahmen des Mobbings zu körperlichen Übergriffen kommen, die strafbar sind, also beispielsweise zu einer Körperverletzung, einer (sexuellen) Nötigung oder einer Bedrohung. In all diesen Fällen sollte gegen den oder die Mobbenden ein Strafantrag bei der Polizei gestellt werden.

Können Opfer auf Schmerzensgeld und Entschädigung hoffen?
Tobias Klingelhöfer:
Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz können neben einer Klärung des Problems mit Kollegen, Vorgesetzten oder dem Betriebsrat auch aktiv ein Schmerzensgeld einfordern. Dies ergibt sich unter anderem aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Letzteres schließt die Folgen von Mobbing unter dem Oberbegriff „Immaterieller Schaden“ in Paragraf 253 ein.

Ähnlich verhält es sich mit dem AGG, das bei psychischen Schäden von Arbeitnehmenden ein Schmerzensgeld vorsieht. Eine wichtige Unterscheidung zwischen AGG und BGB ist, dass sich der Anspruch auf Schmerzensgeld im BGB auf den Täter – egal, ob Kollegen oder Arbeitgeber – bezieht, beim AGG hingegen nur der Arbeitgeber in die Pflicht genommen wird.

Ein erfolgreiches Beispiel dafür, wie sich Mobbingopfer gerichtlich wehren können, lieferte ein Fall vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Az.: 10 Sa 704/19). Hier wurden einer Arbeitnehmerin wegen des Mobbings ihres Arbeitgebers insgesamt 7.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

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