Warum die Betriebsrente älter als die gesetzliche Rente ist

Warum die Betriebsrente älter als die gesetzliche Rente ist. Foto: Alfred Hampp

Warum die Betriebsrente älter als die gesetzliche Rente ist! Viele Menschen denken bei Altersvorsorge zuerst an die gesetzliche Rente. Doch die Geschichte zeigt: Die betriebliche Altersversorgung (bAV) ist sogar älter. Schon im 19. Jahrhundert richteten Unternehmen wie Krupp oder Siemens eigene Versorgungskassen ein, lange bevor 1889 unter Reichskanzler Bismarck die gesetzliche Rentenversicherung eingeführt wurde. Damit ist die bAV die älteste organisierte Form der Altersvorsorge in Deutschland – und bis heute eine wichtige Ergänzung.

Historische Entwicklung

• 19. Jahrhundert: Betriebe schaffen eigene Kassen und Pensionszusagen, um Mitarbeiter zu binden und soziale Sicherheit zu bieten.

• Weimarer Republik: Erste Pensionskassen entstehen, meist auf freiwilliger Basis.

• 1950er Jahre: Wirtschaftswunder – bAV wird zum Instrument der Mitarbeiterbindung, aber ohne einheitlichen Rechtsrahmen.

• 1974: Das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) schafft erstmals verbindliche Regeln für betriebliche Altersversorgung und sichert Arbeitnehmeransprüche.

• 2001: Mit dem Altersvermögensgesetz erhalten Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung – die Möglichkeit, Teile ihres Gehalts steuer- und sozialabgabenfrei in eine bAV einzuzahlen.

• 2002: Einführung des Pensionsfonds als fünfter Durchführungsweg, kapitalmarktorientiert und renditeorientiert.

• 2018: Betriebsrentenstärkungsgesetz führt die „reine Beitragszusage“ ein und verpflichtet Arbeitgeber zu Zuschüssen bei Entgeltumwandlung.

Formen der bAV

Die bAV kann über verschiedene Wege organisiert werden:

Direktzusage (Pensionszusage): Arbeitgeber verpflichtet sich selbst zur späteren Rentenzahlung.

Unterstützungskasse: Externe Versorgungseinrichtung, oft für Führungskräfte genutzt.

Direktversicherung: Lebensversicherung zugunsten des Arbeitnehmers, besonders beliebt bei kleinen Unternehmen.

Pensionskasse: Kollektive Vorsorge über Versicherer, stark im öffentlichen Dienst.

Pensionsfonds: Kapitalmarktorientierte Lösung mit höheren Renditechancen, seit 2002 möglich.

Alle Modelle haben das gleiche Ziel: zusätzliche Sicherheit im Alter.

Verbreitung und Bedeutung

Heute besitzen rund 20,9 Millionen Menschen eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente – etwa 52 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. In Großbetrieben ist die bAV weit verbreitet, in kleinen und mittleren Unternehmen dagegen deutlich weniger. Gründe sind Kosten, Bürokratie und fehlende Beratung. Dennoch bleibt die bAV ein zentraler Pfeiler der Altersvorsorge, der Versorgungslücken schließen und Fachkräfte binden kann.

Das jährliche Leistungsvolumen liegt bei rund 30 Milliarden Euro – etwa 0,7 % des Bruttoinlandsprodukts. Besonders stark ist die bAV im Kredit- und Versicherungsgewerbe verbreitet, während Branchen wie Gastronomie oder Einzelhandel deutlich zurückliegen.

Einordnung und Ausblick

Die betriebliche Altersversorgung ist älter als die gesetzliche Rente und bis heute ein unverzichtbarer Bestandteil des deutschen Vorsorgesystems. Sie verbindet Tradition mit moderner Gesetzgebung und zeigt: Altersvorsorge war schon lange vor der großen Rentenreform von 1957 ein Thema – zuerst in den Betrieben, später im Staat. Ihre Zukunft hängt davon ab, ob auch kleine und mittlere Unternehmen stärker eingebunden werden können.

Quellen:

– Deutsche Rentenversicherung Bund: Rentenversicherung in Zahlen 2024

– Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Sozialbericht 2024

– aba – Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung: Alterssicherungsbericht 2024

– Statistisches Bundesamt: Verbreitung und Branchenunterschiede

– Bundeszentrale für politische Bildung: Rentenpolitik und bAV

– GDV: Vertragsbestand 2024

Quelle:


von

Alfred Hampp - Berliner Sonntagsblatt

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