Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) sieht angesichts des jüngsten Angriffs auf ein Demokratiefest in Bad Freienwalde eine neue Eskalation rechtsextremer Gewalt. "Dass sich so etwas im öffentlichen Raum getraut wird, hat es seit Jahren nicht gegeben", sagte Wilke der "taz" (Mittwochausgabe). "Es gab schon vorher Vorfälle, wo es am Rande von solchen Veranstaltungen Störungen gab, das habe ich selbst erlebt. Aber was wir in Bad Freienwalde gesehen haben, hat eine völlig andere Qualität."
Wilke stellte sich vor die Polizei.
Es stimme nicht, dass keine Polizeikräfte vor Ort gewesen seien, sagte er. Es habe zwei Streifenwagen direkt vor Ort gegeben und einen im Umfeld. "Die Beamten waren zurückhaltend postiert, wie das bei solchen Veranstaltungen auch oft gewünscht ist, aber sie waren da", so Wilke. "Und es gab im Vorfeld keine Hinweise, dass solch ein Angriff stattfinden könnte, keine Aufrufe im Netz oder anderswo."
Hätte die Veranstaltung komplett abgesichert werden sollen, wäre dafür ein Großaufgebot von Polizisten nötig gewesen, so Wilke. Und das hätten die Veranstalter "sicher mindestens unangemessen" empfunden. "Zur Wahrheit gehört: Die Polizei muss lageabhängig arbeiten und kann nicht jede Veranstaltung mit einem Großaufgebot hundertprozentig absichern, das würde kein Bundesland hinbekommen."
Wilke äußerte sich besorgt darüber, dass es auch bei weiteren jüngsten Gewaltfällen in Brandenburg teils sehr junge, rechtsextreme Tatverdächtige gibt. "Dass junge Menschen in dieser Häufigkeit und so früh wieder mit Gewaltbereitschaft auftreten, ist total alarmierend", sagte er. "Es zeigt, wie sehr hier bei einigen etwas beim Aufwachsen schiefläuft."
Wilke forderte als Gegenmaßnahme eine "Entschiedenheit von Polizei und Justiz, wo Straftaten geschehen". Die Polizei allein werde das Problem aber nicht lösen, erklärte der Innenminister. "Das Zauberwort heißt wie immer Präventionsarbeit. Wir müssen in der Bildungsarbeit früher ansetzen und an die Schule gehen. Wir müssen dort über Extremismus aufklären und vor allem über die sozialen Medien, und wie dort Inhalte und Symbole einzuordnen sind." Das Thema Medienbildung sei bisher "völlig unterbelichtet", so Wilke. "Die Jugendlichen werden sozialen Medien schutzlos ausgeliefert. Das ist ein Zustand, der so nicht weiter hingenommen werden kann."
Wilke gibt auch der AfD eine Mitschuld an Gewalttaten wie in Bad Freienwalde. "Ich sehe auf jeden Fall, dass Dinge, die in diesem Land viele Jahre oder Jahrzehnte nicht tolerierbar waren, nun wieder stärker in die Gesellschaft eingewoben werden", sagte er. "Und da ist die AfD vorne mit dran. Das verändert ein gesellschaftliches Klima und das Denken. Und dann werden Dinge erst wieder sagbar - und dann auch machbar."
Am Sonntag hatten mehrere Vermummte in Bad Freienwalde ein Demokratiefest des Bündnisses "Bad Freienwalde ist bunt" angegriffen. Es gab mehrere Verletzte, die Täter konnten entkommen. Das Bündnis beklagte, dass zu Beginn der Veranstaltung keine Polizei vor Ort gewesen sei. Wilke fuhr noch am gleichen Tag nach Bad Freienwalde.
Bad Freienwalde: Wilke sieht neue Eskalation rechtsextremer Gewalt

Foto/Text dts
17. Juni 2025 - 16:25 Uhr
Von Sandra Will