Chronische Entzündungen: Welche Rolle spielen ein verbreiteter Rezeptor und die Ernährung?

Chronische Entzündungen Welche Rolle spielen ein verbreiteter Rezeptor und die Ernährung. Foto: Charité

Unter Federführung der Charité – Universitätsmedizin Berlin werden Forschende in den kommenden drei Jahren der Rolle des Arylhydrocarbon-Rezeptors bei chronischen Entzündungen im Zusammenhang mit Ernährung nachgehen. Zu dem interdisziplinären Verbundvorhaben TAhRget (Targeting AhR-dependent Inflammation for Organ Protection) tragen sechs Partnereinrichtungen bei. Die Projektleitung hat das Experimental and Clinical Research Center (ECRC) – ein gemeinsames klinisches Forschungszentrum der Charité und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Arbeiten mit rund drei Millionen Euro.

Viele chronische Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen gehen mit andauernden oder schubweise auftretenden Entzündungen einher, die zu schweren Organschäden führen können. Mit solchen chronischen Entzündungsprozessen wird der Arylhydrocarbon-Rezeptor (AhR), der in einer Vielzahl unserer Körper- und Immunzellen vorkommt und dabei hilft, körperfremde Stoffe aus dem Körper zu schleusen, in Zusammenhang gebracht. Die dahinterstehenden Mechanismen sind allerdings bislang nicht hinreichend erforscht. Nun startet das BMBF-Verbundprojekt TAhRget, das die Rolle des Rezeptors AhR bei der Entstehung von Entzündungen und den Einfluss von Ernährung am Beispiel der chronischen Niereninsuffizienz (CKD) und der Multiplen Sklerose (MS) näher beleuchten soll. Vor dem Hintergrund dieser beiden sehr unterschiedlichen Erkrankungen erhoffen sich die Wissenschaftler:innen ein genaueres Bild über das Bindungs- und Wirkspektrum von AhR. „Wir möchten herausfinden, ob sich AhR als therapeutisches Ziel – im Englischen ‚target' – für Behandlungsstrategien eignet, mit denen Entzündungsprozesse in Schach gehalten und Organschäden minimiert oder gänzlich verhindert werden könnten", sagt Dr. Nicola Wilck von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Nephrologie und Internistische Intensivmedizin der Charité, Gruppenleiter am ECRC und Koordinator des TAhRget-Verbundprojekts.

Das interdisziplinäre Forschungsteam des Verbunds aus sechs überregionalen Partnern will in den kommenden drei Jahren mithilfe von Patientenkohorten, Tiermodellen, Zellkulturen, Einzelzellanalysen sowie Mikrobiom- und Ernährungsstudien herausfinden, ob und in welchem Maße der Rezeptor AhR zu Entzündungsprozessen bei CKD und MS beiträgt, die die Organe schädigen. Auch fahnden die Forschenden nach aussagekräftigen Biomarkern, die die Aktivität von AhR anzeigen können. Bekannt ist, dass der Rezeptor körperfremde Stoffe – etwa Nahrungsbestandteile oder Stoffwechselprodukte unserer Darmbakterien – bindet, um sie ausscheidungsfähig zu machen. Studienergebnisse zeigen außerdem, dass sich Ernährungsumstellungen auf Erkrankungen mit chronischen Entzündungen positiv auswirken können.

„Wir vermuten, dass hier AhR-vermittelte Prozesse eine Rolle spielen. Ein Schwerpunkt unserer Untersuchungen wird daher insbesondere auf ernährungs- und mikrobiomvermittelten Prozessen liegen, die den AhR und damit einhergehende entzündliche Prozesse bei CKD und MS steuern", sagt Dr. Anja Mähler, Leiterin der Clinical Research Unit am ECRC und Teilprojektleiterin von TAhRget mit dem Schwerpunkt Ernährung. Das Ziel ist herauszufinden, welche Nahrungsbestandteile, Stoffwechselprodukte und Ernährungsformen sich negativ und welche sich positiv auf AhR-vermittelte entzündliche Prozesse auswirken, um dies bei der Behandlung von Patient:innen künftig berücksichtigen zu können. „Unser interdisziplinärer Verbund vereint Kliniker:innen aus Nephrologie und Neurologie, Immunologinnen und Immunologen, Mikrobiom- und Metabolomik-Forschende sowie Ernährungswissenschaftler:innen", sagt Dr. Wilck. „Mit diesem gemeinschaftlichen und fachübergreifenden Forschungsansatz erhoffen wir uns, grundlegend neue und zukunftsweisende Erkenntnisse über die Beteiligung des AhR an chronischen Entzündungen zu gewinnen und damit den Weg zu neuen Behandlungsformen zu bahnen."